Beheimatet im südzamonischen Hutzengebirge, darf die gemeine Berghutze allgemein den so genannten arglosen Gebirgsdämonen zugerechnet werden, wie auch der Klammtroll und die Gletschermume, also Gebirgsbewohner ohne schlechte Absichten, im Gegensatz zu Stollentrollen oder Lawinenhexen. Eigentlich harmlos im Umgang, ist die Berghutze durch ihr abschreckendes Äußeres zu relativer Einsamkeit verdammt. Dabei ist ihre wahre Hässlichkeit noch nicht einmal sichtbar. Durch eine Gnade des Schicksals sind Berghutzen mit dichtem verfilztem Haar bewachsen, so dass man ihre tatsächliche körperliche Beschaffenheit nur ahnen kann. Den Anblick einer komplett rasierten Berghutze könnte niemand ertragen. Sie vegetiert gewöhnlich auf den höchsten Gipfeln des Hutzengebirges, kann klettern wie eine Gemse mit Affenarmen und, wie es der Volksmund überliefert, sogar auf Wolken wandeln, was aber getrost als unwissenschaftliche Spekulation ins Reich der Legenden verwiesen werden darf.
Grundsätzlich sind Berghutzen zutraulich und anschmiegsam, aber ihre Gefühle werden selten erwidert, was mit der Zeit zu ihrem Aussterben führte. Berghutzen haben die Angewohnheit, sich von oben herab auf die Rucksäcke von Bergsteigern niederfallen zu lassen und dort in ein markerschütterndes Gekreisch zu verfallen – so drücken sie in freier Wildbahn ihre Zuneigung aus. Dieses Verhalten ist der Grund für die Tatsache, dass alle Bergsteiger, die jemals einer Berghutze begegneten, danach niemals wieder einen Berg bestiegen haben und Tiefseetaucher oder Grubenkontrolleure geworden sind.

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Auszug aus: "Die 13,5 Leben des Kapitän Blaubär"

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